Wir durchlaufen in unserem Leben immer wieder Phasen, in denen wir uns niedergeschlagen, verunsichert oder überfordert fühlen. Wir erleben Verluste, Veränderungen, Herausforderungen oder Krankheiten. Doch jeder Mensch geht anders mit solchen Situationen um. Jeder Mensch reagiert anders in schwierigen Phasen. Wann ist dann eigentlich der Punkt erreicht, an dem psychologische Hilfe ratsam wäre?
Wichtig vorab: Je nach Ausprägung und Darstellung der Symptome kann eine Psychotherapie alleine nicht ausreichend sein. In diesen Fällen ist eine medikamentöse Behandlung durch einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in Verbindung mit Psychotherapie notwendig.

Hier sind zentrale Merkmale, die darauf hinweisen, dass es wichtig ist, psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen:
Anhaltende Traurigkeit und Leere
Es ist okay, sich ab und zu traurig zu fühlen. Es ist auch okay, in Verlustsituationen eine Traurigkeit zu spüren. Doch hält dieses Gefühl über Wochen oder sogar Monate an und lässt sich nicht mehr "erklären", dann kann dies ein Hinweis auf eine Depression oder eine andere psychische Störung sein. Kommt zu dem Gefühl der tiefen Traurigkeit noch ein Zustand der Gefühllosigkeit hinzu, bei dem die Freude an Mitmenschen oder sogar der eigenen Familie verloren geht, dann ist dies ein alarmierendes Zeichen, das dringend psychologische Hilfe erforderlich macht.
Extreme Angst und ständige Sorgen
Sich um die Kinder zu sorgen oder Angst vor einer Operation zu haben, ist ebenfalls ein normales menschliches Verhalten. Manche Menschen sind in dieser Hinsicht ängstlicher als andere. Es geht hier mehr um die Häufigkeit und Intensität der Gefühle. Kommt es durch die Angst und Sorgen zu einer starken Beeinträchtigung des Lebens, zu körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwindel oder Beklemmungsgefühlen, oder führen sie zu einem ausgeprägten Vermeidungsverhalten, d.h. jemand verlässt das Haus nicht mehr, geht nicht mehr unter Leute oder ist sehr nervös und schreckhaft, dann könnte dies auf eine Angststörung hinweisen. Eine Psychotherapie kann dabei helfen, die Ängste zu reduzieren, indem die tieferliegenden Auslöser identifiziert werden und der Umgang mit stressauslösenden Situationen verbessert wird.
Schwierigkeiten in Beziehungen
Kommt es in zwischenmenschlichen Beziehungen immer wieder zu Streitigkeiten und Eskalationen oder zu dem Gefühl, sich immer missverstanden zu fühlen, kann eine Psychotherapie dabei helfen, Kommunikationsmuster zu verbessern und die Ursachen für die Beziehungsprobleme zu identifizieren.
Gefühl von Überforderung und Stress
Wenn der Alltag einen überfordert, die Aufgaben einen überrennen und der Raum für Erholung nicht gegeben ist, dann kann eine Psychotherapie hilfreich sein, um die Stressfaktoren zu identifizieren und geeignete Bewältigungsstrategien herauszufinden.
Verlust von Interesse und Antriebslosigkeit
Ein sehr deutliches Anzeichen für die Notwendigkeit psychologischer Hilfe ist das Gefühl von Antriebslosigkeit und Interessensverlust. Wenn Aktivitäten, die vorher Spaß gemacht haben, auf einmal keinen Spaß mehr machen. Wenn es schwerfällt, morgens aus dem Bett aufzustehen und die alltäglichen Dinge kaum mehr zu schaffen sind, dann ist psychologische Hilfe absolut notwendig.
Negative Denkmuster
Unter negativen Denkmustern verstehen wir Sätze wie "Ich bin nicht gut genug", "Ich schaffe das ja eh nicht" oder "Ich bin es nicht wert". Werden diese Sätze regelmäßig, wie in einer Spirale, erlebt, dann kann dies ein Hinweis auf eine Depression, Angststörung oder extreme psychische Belastung sein. In der Psychotherapie geht es dann darum, die negativen Gedankenmuster zu identifizieren und durch positive, konstruktive Gedanken zu ersetzen.
Körperliche Symptome ohne medizinische Erklärung
Wenn chronische Rückenschmerzen, Kopfschmerzen oder Magenprobleme belasten, aber keine medizinische Ursache durch Untersuchungen gefunden werden konnte, kann dies auf psychische Ursachen zurückzuführen sein. Man spricht in diesem Fall von somatoformen Störungen. In der Psychotherapie können die Zusammenhänge zwischen körperlichen Symptomen und psychischen Ursachen identifiziert und dadurch besser verstanden werden.
Schwierigkeiten, mit Veränderungen oder Verlusten umzugehen
Nach dem Verlust eines geliebten Menschen durchläuft der Mensch verschiedene Phasen der Trauer. Das ist völlig normal und wichtig. Auch ein Umzug oder der Verlust des Arbeitsplatzes kann zuerst eine Art Anpassungsprozess in Gang bringen, der mit einem Trauerprozess vergleichbar ist. Kommt es aber dazu, dass der Schmerz und die Trauer über einen längeren Zeitraum unverändert bleiben und das Leben dadurch stark einschränken, kann eine Psychotherapie diesen Prozess unterstützen und dabei helfen, neuen Lebensmut zu finden.
Gefühl der Isolation und Einsamkeit
Wenn ein Gefühl der Einsamkeit empfunden wird, obwohl man von Menschen umgeben ist, oder man sich immer weiter von seinem sozialen Umfeld isoliert, dann kann dies ein Hinweis auf eine psychische Störung sein. Auch hier kann eine Psychotherapie unterstützen, die Isolation zu durchbrechen und wieder emotionale Verbindungen aufzubauen.
Gedanken an Selbstverletzung und Suizid
Wird ein Druck verspürt, sich selbst zu verletzen, oder kommt es zur Selbstverletzung sowie zu Gedanken an den eigenen Suizid, dann ist das ein Alarmzeichen, das unter keinen Umständen ignoriert werden darf. Es ist unmittelbare Hilfestellung erforderlich.
Falls Sie diese Gedanken bei sich erkennen oder sich in einer akuten Notsituation befinden, dann wenden Sie sich bitte umgehend an folgende Rufnummern:
Rettungsleitstelle: 112
Krisendienst Psychiatrie: 0800-655 3000
Fazit:
Psychotherapie oder psychologische Hilfe im Allgemeinen ist immer dann sinnvoll und wichtig, wenn es zu einer Einschränkung und Belastung des eigenen Lebens kommt, wenn Sie einen Leidensdruck verspüren und die eigenen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen, um die Situation zu bewältigen.